Sonntag, 20. April 2008

Sarría - Ferreira - A Brea - Portomarín - Palas de Rei - Caballal - Casanova - Arzúa - Sao Paio - Monte Gozo - SANTIAGO DE COMPOSTELA

Am nächsten Morgen ist die Stimmung schlecht: Es regnet nur, und wir müssen 10 km laufen. Außerdem ist es richtig kalt. Langsam nervt das Wetter! Regen ist gar nicht mein Wander-Wunsch-Wetter und dementsprechend hadere ich etwas mit meinem Schicksal und dem Sinn des Lebens insgesamt!
In Sarría auf dem Weg zur Stempel-Kirche kommen uns ein paar Pilger zu Pferd entgegen - auch ein Unterfangen... Mit dem Bus geht es weiter nach Ferreira (eigentlich wollten wir in A Brea starten, aber der Ort ist zu klein für den Bus), und auch der Weg nach Ferreira gestaltet sich schwierig. Oscar ist richtig wütend auf das Reisebüro, denn die hätten das anders planen müssen.
Der Weg geht abwärts durch den Wald und ist sehr steinig - aber lauschig!

Nur leider fängt es ziemlich schnell an zu regnen, was zur Folge hat, dass es richtig matschig wird. Mitten im Wald taucht plötzlich eine Kneipe auf. Das Angebot nehmen wir sofort an. Hier wird die typisch galizische Dudelsackmusik gespielt. Wir hoffen, dass der Regen aufhört, aber das war leider nichts. So schlagen wir uns tapfer durch bis Portomarín.

Wir überqueren eine große Brücke und entscheiden spontan: Kein Picknick im Regen, dafür Tapas im Lokal. Peter kennt ein recht gutes und auf geht's! Mit jedem Gläschen Wein wird die Gesellschaft dann auch immer munterer und die Stimmung hebt sich zusehends.

Ganz interessant an diesem Ort mit dem Belesar-Stausee ist, dass bei der Anlage des Stausees der Ortskern verlegt wurde und am Hang weiter oben neu angelegt wurde. Dabei wurde die Kirche San Nicolas und ein alter Brückenbogen am Ortseingang sowie die Portalfront der Kapelle San Pedro abgetragen und am neuen Standort wieder aufgebaut.

Wer zu Ostern hier ist, hat sicher das große Los gezogen: Hier wird alljährlich am Ostersonntag die Fiesta de Aguardiente (Schnapsfest) mit einem Schaubrennen und der Wahl des besten Orujo-Destillateurs gefeiert.

Als wir in Palas de Rei ankommen, gibt es eine schöne Überraschung. Im dortigen Hotel hat das sehr lustige Hostal-Ehepaar ein Einsehen mit den durchgefrorenen Pilgern und in jedem Zimmer die Heizung angestellt.

Am nächsten Morgen fahren wir ca. 1 km bis Caballal und starten von dort unsere Wanderung. Los geht's bei recht gutem Wetter. Es ist wieder einmal eine sehr schöne Strecke, durch Felder und Eukalyptus-Wälder, vorbei an kleinen Bauerngehöften mit vielen schlafenden Hunden und Ställe voller muhender Kühe.

In Casanova steht mutterseelenallein ein Tisch mit einem Stempel und einem Geldkörbchen. So kann man auch zu Geld kommen... Hier sieht man einen Maisspeicher. Und da es in Galizien ja viel regnet, wird er eben auf ein solches Stein-Fundament gesetzt, damit der Mais auch nicht nass wird.
´Nach 8 km Ankunft bei "Den zwei Deutschen". Eigentlich nicht weiter spektakulär, bis auf die Tatsache, dass mein Mann seine Stöcke dort hat stehen lassen.

Danach geht es mit dem Bus - unsere letzte Strecke mit Oscar - weiter nach Arzúa. Dort kaufen wir im Supermercado für ein letztes Picknick ein. Das Baguette ist sogar noch warm - hmmmm.

Oscar bringt uns noch bis kurz hinter Sao Paio. Dort heißt es dann Abschied nehmen von geliebtem Bus und Fahrer. Wir bringen noch das übliche Ständchen "Oscar wir danken dir", und dann fährt er ab.


Wir machen uns auf zu unserer letzten Etappe von 12 km Richtung Santiago. Nach ca. 1 km erreichen wir Lavacolla, eine lauschige Wasserstelle, an der sich die Pilger in früheren Zeiten gereinigt haben, um dem Heiligen Santiago sauber entgegenzutreten. Wir hingegen machen dort Picknick. Eine Scheibe Schinken ist noch übrig - die nimmt ein kleiner Hund dankenden Blickes entgegen!

Irgendwann wird aus dem schönen Waldweg eine Asphaltstraße, wir passieren die Sendeanstalt des galizischen Fernsehens, und dann fängt es wieder an zu regnen. Genau an der Ecke des Senders ziehen wir uns die Regenklamotten wieder an; ich nehme die Gelegenheit wahr, noch das zu erledigen, was nun einmal zu erledigen ist - und während ich da so hocke, taucht urplötzlich die Guradia Civil auf und betrachtet sich das Schauspiel in aller Seelenruhe!

Im Regen gelangen wir auf den Monte Gozo (Freudenberg) und erheischen einen mehr erahnten Blick auf die Kathedrale von Santiago ("Siehst Du dahinten diese kleine Spitze rechts neben der Tanne..."). In ganz frühen Zeiten sind die Pilger von dort aus barfuß bis nach Santiago eingelaufen. Auf dem Monte Gozo ist ein modernes Denkmal, das an den Besuch von Johannes Paul II. im Jahre 1982 erinnert.

Wir gehen bergab an großen Wohnkomplexen vorbei. Heute sind es Studentenwohnheime, errichtet wurden sie aber im Heiligen Jahr 1993 als Herbergskomplex. Wie uns Peter erzählt, der dort ein paar Semester gewohnt hat, sind es heute allerdings meist Touristenunterkünfte.

In Santiago de Compostela angekommen, nehmen wir noch einen kurzen Umweg über den Friedhof, weil man von dort einen wunderschönen Blick auf die Altstadt hat. Allerdings bei Regen hält sich das in Grenzen...

Und dann - endlich - geht es in die Kathedrale. Dieser Augenblick ist unbeschreiblich. Es werden gerade Taizé-Lieder eingeübt für den folgenden Gottesdienst. Das ist einfach eine wahnsinnige Stimmung.

So beseelt und glücklich begeben wir uns ins Hotel. Eine heiße Dusche und dann mit einem Roman ins warme Bett zur Siesta. Nach 2 Stunden werde ich von meinem Göttergatten gegen meinen erklärten Willen zum Aufstehen gezwungen!! Noch ein kurzer Gang durch die Altstadt, ein paar Geschenke besorgen: ein Paar Ohrringe für die Mutter, ein Armband für die Mädels zu Hause - alles aus Azabache, zu deutsch: Gaga (nein wirklich, kein Scherz) und dann geht es auch schon zu unserem letzten gemeinsamen Abendessen. Unsere gute Seele, Peter, unser Führer, schenkt mir noch einen Reiseführer, falls ich den Jakobsweg einmal alleine machen möchte. Wir verbringen einen herrlichen letzten Abend in einer Tapas-Bar, mit viel vino tinto und hierbas... Es gab Reiseleiter, denen ging es am nächsten Tag nicht ganz so gut... (Und die Hierbas-Kräuter vom Abend zuvor wurden nun mit Kamille bekämpft!) Ins Pilgerbüro müssen wir natürlich auch noch.

Am nächsten Tag wollen wir auf gar keinen Fall die Pilgermesse verpassen und sind rechtzeitig gegen 11 Uhr schon in der Kathedrale. Kurz vor Beginn der Messe übt die Nonne, die wir schon vom Tag zuvor kannten, mit uns die Lieder ein, meistens Taizé-Gesänge wie: Laudate dominum, Laudate omnis gentes, Ubi caritas u.a. Das ist sehr ergreifend, wenn eine ganze Kathedrale voller Menschen aus aller Herren Länder gemeinsam singt.

Die Messe war wunderschön (Bis auf diesen Pilger, der sich im letzten Moment neben mich quetscht und furchtbar nach muffig und Zitrone riecht. Ich kann es kaum ertragen. Als er zum Abendmahl geht, was ich als Evangele ja nicht darf, nehme ich sofort die Gelegenheit wahr und setze mich 2 Reihen weiter nach vorne. Er kommt wieder, will auf seinen Platz, stutzt, schaut sich um, sieht mich, meint wohl, dort müsse er gesessen haben, und prompt habe ich ihn fröhlich lächelnd wieder....).

Der Gottesdienst fängt damit an, dass die Nonne die einzelnen Pilgergruppen begrüßt und die Länder, aus denen sie kommen, vorliest: "Uno de Alemania, tres de Brazil, dos de Japón...".

Und dann haben wir noch das Glück, dass der Botafumero, der Weihrauchschwengel, geschwungen wird, was wohl nur wenige Male im Jahr passiert zu großen Feiertagen oder um einen besonderen Gast zu ehren. Oder - und das war hier der Fall, wenn ein Kreuzfahrtschiff anlandet und man den Gästen etwas Besonderes bieten möchte (und dementsprechend gut dafür bezahlt...). So also gelangen wir in den außerordentlichen Genuss, beweihräuchert zu werden. Als die Zeremonie losgeht, bemerke ich so ganz nebenbei, dass an einem Ende der Kathedrale eine Tür aufgemacht wird. Auf mein Nachfragen stellt sich heraus, dass das Seil, an dem der Botafumero angeknotet ist, wohl schon einmal losgegangen sein soll... Nun denn, ein gewisses Risiko ist ja immer!


Am heutigen Tag müssen wohl sehr viele deutsche Pilger angekommen sein. Zu deren Ehren wird als Eingangslied der Choral "Großer Gott, wir loben dich" gesungen. Ein deutscher, ein brasilianischer und ein englischer Priester sprechen Grußworte an die Pilger.

Wie man sieht, wurde ich gebeten, die Lesung zu machen.

NEIN! Scherz! Das bin ich nicht!

Und hier oben ist das Heiligste: der Heilige Jakob, Santiago. Ein Gang führt hinter der Statue entlang, so dass man den ihn berühren kann, was Tausende von Pilgern natürlich machen.

Kurz vor der Abreise nach Deutschland treibt uns der Hunger noch einmal in ein Tapas-Lokal. Da treffen wir doch tatsächlich auf die Franzosen aus dem Santiago-Café in Sarría! Die Welt ist klein.

Dann müssen wir auch schon zurück zum Hotel und ab zum Flughafen. Trauer allenthalben, als wir Peter verabschieden müssen. Auf dem Flughafen treffen wir noch einmal einige aus unserer Reisegruppe, es herrscht helle Aufregung, weil wohl Tickets vertauscht und Gepäckstücke nun in die weite Welt geschickt wurden... ein letztes "Adieu", und das war's!

Erschöpft aber voller glücklicher Eindrücke kommen wir nachts um ca. 1 Uhr zu Hause an!

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